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Roadtrip - In 4 Wochen durch Skandinavien (Teil 5)


Im letzten Abschnitt meiner vierwöchigen Reise erlebte ich einen krassen Wetterwechsel. Von frühwinterlichen Verhältnissen mit Schnee, ging es plötzlich wieder zurück Richtung Herbst. Im Nationalpark Jotunheimen war ich dann unterwegs im Reich der Riesen und Trolle, bevor es entlang der schwedischen Westküste langsam wieder Richtung Heimat ging

Während die nördlichen Teile von Norwegen durch ein massives Niederschlagsgebiet heimgesucht wurden, standen die Chancen auf besseres Wetter südlich von Trondheim gar nicht mal so schlecht. Mittlerweile befand ich mich in der Provinz Nord-Trøndelag und ich setzte am Morgen des 21. Septembers meine Fahrt in Richtung Süden weiter fort. Mit heftigen Regen im Schlepptau bat ich Thor, der einst auch als Wettergott verehrt wurde, mir besseres Wetter ab dem Kilometerstand 5.740 zu bescheren. Und was soll ich sagen...tatsächlich brach die Sonne mit ersten Strahlen durch das finstere Grau bei Kilometer 5.741. Alles nur reiner Zufall? Das überlasse ich jedem seiner eigenen Interpretation. Ich startete bei +2°C am Morgen und ab Höhe Oppdal kam der krasse Wetterwechsel. Blauer Himmel und fast spätsommerliche Temperaturen von gut 17 Grad plus stellten sich ein. Das trockene Wetter nutzte ich sofort, um meine feuchte Ausrüstung und Klamotten zu trocknen. Die frostige Nacht verbrachte ich an einem wunderschönen Gebirgsfluss am Rande des Nationalparks Dovrefjell.

Der Dovrefjell-Sunndalsfjella-Nationalpark bietet neben einer spektakulären Landschaft, auch mit etwas Glück, die Möglichkeit Moschusochsen in freier Wildbahn zu beobachten. Dies gelang mir allerdings nicht. Diese mächtigen und urwüchsigen Tiere wurden vor etwa 70 Jahren aus Grönland in der Dovrefjell-Region erfolgreich ausgewildert. Der ungeheuren Farbenpracht des skandinavischen Herbstes konnte ich mich nicht entziehen und meine Begeisterung über dieses Feuerwerk der Farben fand kaum Grenzen. So verwunderte es mich überhaupt nicht, dass der Verschluss meiner Kamera fast anfing zu Glühen. Weiter ging es dann über eine kleine Straße in Richtung Westen zum Nationalpark Jotunheimen, der Heimat der Riesen und Trolle. Dort liegt auch der höchste Berg von ganz Norwegen, nämlich der Galdhøpiggen (2.469 m), sowie eine beachtliche Anzahl weiterer Berge, die über 2.000 Meter hoch sind.

Meine Wanderung im Jotunheimen-Nationalpark führte mich fast ganz hinauf bis zum Gipfel des Galdhøpiggen. Ohne Zielstress ließ ich mich etwas unterhalb des Gipfels nieder und genoss die traumhafte Aussicht über das Tal, welches noch komplett unter einer dicken Nebelschicht lag. Überall um mich herum plätscherten Quellen mit frischen trinkbaren Gebirgswasser, es gab leckere Beeren im Überfluss, Alpenschneehühner liefen entspannt zwischen den Blaubeersträuchern umher und wirkten fast so zutraulich wie unsere Haushühner. Die gigantische Landschaft fesselte all meine Sinne und als ich barfuß über die Hänge lief, konnte ich die energetische Wirkung dieses besonderen Platzes in jeder meiner Fasern spüren. Wenn hier keine Riesen und Trolle zu Hause sind, wo dann sonst dachte ich mir? Kann man der nordischen Götterwelt irgendwo sonst näher kommen als hier an diesem spektakulären Ort - ich glaube nicht.

In Richtung Bergen durchfuhr ich zunächst noch unwissend den längsten Straßentunnel der Welt, den Lærdalstunnel, mit einer Länge von 24,5 Kilometer. Allgemein war die Strecke im Westen von Norwegen recht tunnellastig. So durchquerte ich an einem Tag bestimmt 70 Kilometer Tunnel. Kein Wunder, wenn man sich dann irgendwann wie ein Höhlenmensch fühlt. An einigen Stellen waren die kurvigen Straßen ziemlich abenteuerlich. Extrem schmale Fahrbahnen, meist gerade breit genug für ein Fahrzeug, schlängelten sich entlang der steilen Abhänge an den Fjorden und auf der anderen Seite ragten hunderte Meter hohe Felswände hinauf zum Himmel. Ein weiteres Highlight erlebte ich bei Gudvangen, im Viking Experience, einem nachempfundenen Wikingerdorf direkt an einem Fjord. Doch dazu und zu weiteren Erlebnissen zum Thema Wikinger werde ich später noch etwas separat schreiben. Mittlerweile musste ich aber auch feststellen, dass sich meine Tour langsam, aber ziemlich sicher dem Ende näherte. Dabei fiel mir auf, dass ich während der gesamten Zeit nicht ein einziges Mal weder Dusche, Bett, Toilette, Küche oder einen simplen Tisch vermisst hatte. Erstaunlich mit wie wenig Sachen man total glücklich und zufrieden sein kann.

Mein Weg führte mich weiter entlang des Herdangerfjords in Richtung Odda. Auf dem Weg bewunderte ich noch einen Gletscher am Rande des Folgefonna-Nationalparks. Nun befand ich mich in direkter Zufahrt zu norwegischen Hauptstadt Oslo. Besuchen wollte ich die allerdings nicht. Für meinen Geschmack zu viele Menschen an einem Ort. Deswegen entschloss ich Oslo großräumig südlich zu umfahren. Zuvor aber durchquerte ich noch das wilde Røldalsfjellet auf einem kleinen Gebirgspass. Für diesen kleinen aber lohnenswerten Abstecher hatte ich mich spontan entschieden. Wieder einmal mehr stellte ich begeistert fest, dass es in Norwegen so unfassbar viele schöne Orte gibt, dass ein Menschenleben wohl kaum ausreichend sein mag, um sich all diese Orte in Ruhe anzusehen und dort für ein paar Tage zu wandern. Nichtsdestotrotz verweilte ich dort für ein paar Stunden und ließ mich von der atemberaubenden Landschaft verzaubern.

Den Heimweg hatte ich mir eigentlich schon gut drei Wochen zuvor im Kopf zusammengebastelt. Denn auf dem Hochweg fiel der Besuch der schwedischen Westküste buchstäblich ins Wasser. Nun standen aber die Chancen auf gutes Wetter nicht schlecht und tatsächlich erreichte ich die traumhaft schöne Küstenlandschaft von Westschweden bei bestem Wetter. Darüber war ich natürlich überaus erfreut. Endlich konnte ich die Schärenlandschaft sehen und in ihr ausgiebig wandern gehen. Das was ich anfangs aufgrund des schlechten Wetters nur erahnte, war noch weitaus schöner als in meiner Vorstellung. Gemütliche Dörfer mit kleinen Häfen lagen eingebettet zwischen abgerundeten Felsen. Was für ein herrlicher Flecken Erde!

Die Küste zwischen Fjällbacka und Hamburgsund sollte man sich definitiv nicht entgehen lassen, wenn man von Oslo nach Göteborg oder umgekehrt unterwegs ist. Diese einzigartige Landschaft lädt einen geradezu zum Verweilen und Innehalten ein. Dieser Einladung folgte ich natürlich und verbrachte ein paar wunderschöne Stunden in dieser harmonischen, aber auch wilden Landschaft. Am 27. September trat ich dann die letzte Etappe meiner Reise an. Vor mir lagen gut 1.000 Kilometer Autofahrt, die ich mir aber mit einer großzügigen Pause in Roskilde/Dänemark versüßte. In Roskilde befindet sich das Wikingerschiffsmuseum, dass ich als letztes Highlight meiner Tour durch Skandinavien besuchte. Die großartigen Eindrücke dieses außergewöhnlichen Besuches werde ich wie bereits erwähnt in einem zusätzlichen Artikel beschreiben. Spät in der Nacht erreichte ich dann ziemlich müde meinen Ausgangspunkt, nachdem ich mich durch Staus in Süddänemark und die endlosen Baustellen auf der A7 gequält hatte. Etwas was ich absolut gar nicht vermisst hatte. Wäre ich nicht so müde gewesen und der Urlaub zu Ende, dann wäre ich am liebsten sofort wieder losgefahren.

Epilog:

Mit dieser 4-wöchigen Reise durch Skandinavien erfüllte sich ein langjähriger Traum von mir. Die Realität war um einiges schöner als die Traumvorstellung. 8.600 Kilometer legte ich ohne Unfall und ohne Zwischenfälle zurück. So etwas ist nicht unbedingt selbstverständlich und deswegen bin ich mehr als dankbar für dieses zusätzliche Glück. Vier Wochen mehr oder weniger autark in der Natur unterwegs zu sein ist ein besonderes Abenteuer und so etwas vergisst man nie. Die gesammelten Erfahrungen sind wertvoller als alles Geld der Welt. Die Glücksgefühle diese atemberaubende Wildnis mit den eigenen Augen zu sehen, sie mit den eigenen Sinnen wahrzunehmen, ist unbezahlbar! In dieser Zeit lernt man so viel über sich selbst, wie es in unserem vertrauten Zuhause kaum möglich ist, weil wir ständig mit den alltäglichen Dingen um uns herum beschäftigt sind. Arbeiten, den Haushalt machen, Kinder, Familie, Freunde, Fernseher, Konsum und so weiter und so weiter. Aber nehmen wir uns in den ganzen Trubel überhaupt noch selbst richtig wahr und kennen wir unsere Schwächen und Stärken alle ganz genau? Ich war zumindest überrascht, wie viel ich noch über mich selbst erfahren konnte. Neue Stärken zeigten sich, aber auch Schwächen, die mir vorher gar nicht bewusst waren, kamen plötzlich in mein Leben. Im Naturrhythmus zu leben ist eine unfassbar schöne Erfahrung, die ich jedem nur empfehlen kann. Das Gefühl von wahrer Freiheit stellt sich erst nach einiger Zeit ein, aber dann um so spürbarer. Dinge werden intuitiver entschieden und es ist toll, diesen "Bauchgefühlen" vertrauen zu können. Es stärkt unser Selbstbewusstsein und -vertrauen sowie unsere Sinne ungemein. Auch erstaunlich ist festzustellen, dass es gar nicht viel braucht, um glücklich und zufrieden zu sein.

Das Gefühl tatsächlich zu leben ist ein verdammt geiles Gefühl mit hohem Suchtfaktor. Vielleicht ist es auch der Grund dafür, dass wir von staatlicher Seite immer mehr unserer Freiheiten beraubt werden und Angst davor haben, die gewohnten und festgesteckten Strukturen zu verlassen und eingefahrene Lebensumstände zu hinterfragen. Habt Mut, brecht aus, öffnet Eure Augen und Herzen! Verlasst die Komfortzone und sei es nur für ein paar Tage. Es gibt auch ein glückerfülltes Leben ganz ohne all den technischen Quatsch und den übermäßigen Konsum um uns herum.

Glück kann man nicht kaufen, Glück muss man (er)leben!!!

Euer Clemens Niesner


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